Der Orbel ist unsere kühlste Grand-Cru-Lage, die hochstrukturierte Cool-Climate-Weine mit einer kristallinen Salzigkeit und einem Hauch exotischer Frucht hervorbringt. Im Jahr 2018 mögen wir ihn besonders, da er seine Riesling-Brillanz aufs allerbeste mit burgundischen Elementen vereint und ein ganz großer Wein geworden ist. Mit diesem Wein sind wir unserem Ziel, in einer Blindprobe gegen jeden großen Weißwein dieser Welt bestehen zu können, einen großen Schritt näher gekommen.
Unsere Parzelle im Orbel
Unsere Parzelle im Orbel, die wir Estate Orbel nennen, besteht aus vier zusammenhängenden Flurstücken mit einer Gesamtgröße von 3.395 m2, deren mittlere Hangneigung 14,8 % beträgt. Die insgesamt 27 Zeilen sind im Jahr 1990 angelegt worden, den Klon können wir leider nicht mehr nachvollziehen. Im Jahr 2016 haben wir die Fehlstellen mit dem Mosel-Klon Weis 1 der Rebmanufaktur Weis in Leiwen nachgepflanzt.
Unsere Parzelle liegt im untersten Gewann des Orbels auf der rechten Seite der Straße nach Schwabsburg etwas vor dem Ortsschild. Durch seine tiefe Lage ist die Parzelle dem kühlenden Düseneffekt im Sommer besonders ausgesetzt, der in der Nacht für einen merklichen Luftzug aus dem Taleinschnitt in Richtung Rhein sorgt. Es ist eine der kühlsten Parzellen im Orbel und wir denken, dass man das unseren Weinen auch anmerkt.
Im Jahr 2018 haben wir begonnen, den Weinberg auf sanften Rebschnitt umzustellen, was bis zur vollständigen Umsetzung aber einige Jahre dauern wird. In diesem Zusammenhang versuchen wir auch die Rebstöcke zurückzusetzen, d.h. wir fördern einen Trieb von möglichst weit unten am Stamm und wenn er kräftig genug ist, schneiden wir den Stamm darüber ab. Aus dem verbleibenden Trieb wird dann mit der Zeit der neue Stamm. Dies hat den Hintergrund, dass bei uns, wie in vielen anderen Weinbergen weltweit auch, die Pilz-Krankheit Esca (aus dem lateinischen für Zunder) voranschreitet. Da die Esca-verursachenden Pilze hauptsächlich totes Holz befallen, wird dem Pilz mit dem Wegschneiden des alten Holzes die Haupteintrittspforte in den Rebstock genommen. Heute, also im Dezember 2021, sind wir auf diesem Weg gut vorangekommen. Die Teufelshörner, die durch den sanften Rebschnitt entstehen, formen sich langsam und auch wenn wir weiterhin Stockausfälle haben, ist die Tendenz erfreulicherweise abnehmend.
Die Lese
Wir haben unseren Orbel am 24. und 25.09.2018, also etwa zwei Wochen vor der Zeit gelesen, zu dem die Ernte in dieser Parzelle normalerweise stattfindet. Dieser frühe Lesezeitpunkt ist dem Hitzejahr 2018 geschuldet.
In Jahrgang 2018 betrug das Mostgewicht im Orbel 90,4°Oe und die Säure 5,5 g/l. Das Weinsäure / Apfelsäureverhältnis betrug 2,00 d.h. es ist genau doppelt soviel „weiche“ Weinsäure als „harte“ Apfelsäure vorhanden. Das ist sehr gut für die Struktur und die Ausgewogenheit des Weines.
Wie auch beim Teufelskopf, hat der fertige Wein mit einer Gesamtsäure von 6,2 g/l mehr Säure als die Mostanalyse ausweist. Der Unterschied ist hier allerdings nicht so ausgeprägt. Auch hat der Wein mit 13,2 % mehr Alkohol als er nach der Mostanalyse haben sollte. Wir haben natürlich nicht chaptalisiert (und natürlich auch nicht aufgesäuert) – warum auch – und auch wenn wir den Orbel mit den erlaubten 15 % „luzifiziert“ haben (hochwissenschaftlich-önologische Erklärung: Luzifizierung = Verschnitt eines Weines mit Teufelskopf) ist dies nur schwer erklärbar. Es ist auf jeden Fall ein weiteres Zeichen, dass die Grapescans nicht so genau sind, wie wir das angenommen hatten.
Die Gärung
Nachdem wir – wie bei uns üblich – den Most für ca. einen Monat, heruntergekühlt mit Trockeneis, bei ca. 3°C auf die Stabulation gelegt haben, haben wir durch das Weglassen der Trockeneiszugabe die Gärung eingeleitet. Wir lassen die Weine dabei spontan angären und wenn sie anfangen zu böchsern, geben wir Reinzuchthefe dazu (zu den einzelnen Hefestämmen später mehr). Die Gärung selbst findet bei uns im Freien statt, d.h. unsere Fässer stehen während des kompletten Winters draußen. Das führt zum einen dazu, dass bei einem kalten Winter die Gärung wesentlich langsamer vonstatten geht, wie in einem warmen Winter – und wir damit auch wieder den Jahrgang abbilden – und zum anderen, dass wir sehr lange Gärzeiten erreichen, da die Gärung in der Regel erst im Sommer des nächsten Jahres abgeschlossen ist. Lange Gärzeiten resultieren in der Regel in komplexeren und strukturierteren Weinen und unsere Art zu vergären scheint, wie wir inzwischen gelernt haben, diesen Effekt noch einmal zu verstärken.
Die Weinwerdung
In der Weinbereitung 2018 haben wir unsere Innovationsschraube noch einmal eine Umdrehung weitergedreht. Beim Orbel haben wir dabei aber nicht, wie beim Teufelskopf, mit gebrauchten Rotweinfässer experimentiert. Das hatten wir uns damals einfach noch nicht getraut. Allerdings haben wir – zusätzlich zum Versuch alle unsere fünf Einzellagen in jeweils einem 300 Liter HT (High Toast) Barrique auszubauen – zwei neue 225 l HT Barriques verwendet. Wir haben dazu auf Fässer unserer Haustonnellerie Hösch in Hackenheim bei Bad Kreuznach zurückgegriffen. Wir schätzten einfach die unaufgeregte Art dort, die mit hoher Fertigungspräsentation und extremer Qualität des eingesetzten Holzes verbunden ist. Für die 300 l Fässer haben wir ein Mondphasen-Holz aus Taunus-Eiche und für die 225 l Barriques Wiener Eiche verwendet. Taunus-Eiche passt vielleicht noch besser zu uns als Johanniskreuz (Pfälzer Eiche), aber wer weiß, vielleicht schlägt auch nur wieder unsere Affinität zum Rheingau durch. Zumindest haben wir hier beim Orbel mit den Barriques aus Wiener Eiche einen bewussten Kontrapunkt gesetzt – ein Tribut an die schwarze Wiener Seele von Herrn Dr. Frank – Wolfgang Ambros und sein Zentralfriedhof lassen grüßen.
Bei unserem Versuch mit den 300 l Barriques haben wir nach dem spontanen angären die „schlimme“ Aromahefe Exotic eingesetzt. Wenn bei dem einen oder anderen von Ihnen der Begriff „Simi White“ klingelt – ja genau da sind wir und vielleicht ist die Exotic noch ein wenig extremer. In Verbindung mit dem direkt, d.h. ohne Wässerung, oder andere Vorbehandlungen befüllten HT-Barrique, kann man sich auf jeden Fall nicht weiter von der gängigen Lehrmeinung, wie Riesling auszubauen wäre, entfernen, ohne den Pfad der Seriosität zu verlassen.
Für alle die, die meinen wir hätten jetzt mit der quietschig-vollfruchtig-bonbonartigen Weiße-Kuschelhäschen-Reinzuchthefe Exotic völlig den Verstand verloren, sei gesagt, dass Riesling in Grand Cru Dimension vieles wegsteckt. Selbst durch sehr schräge Vorgehensweisen kann eine Verbesserung entstehen – also nichts ist unmöglich – und hier haben wir ein komplett seriöses, wenngleich heftiges Ergebnis erzielt. Unser Barrique hat nämlich noch einen leichten biologischen Säureabbau durchlaufen und dadurch zusätzlich zur die Frucht betonenden Exotic auch noch einen leichten Anfall von Buttercremetorte. Aber vertrau mir sprach die Schlange zum Kaninchen: „That’s cool man“ und nachdem sich später noch deutliche Kaffeenoten hinzugesellt haben, waren wir vollständig zufrieden. So ein Fass kann man ob seiner extremen Ausprägung schon wieder solo abfüllen, aber wir haben das Fass dann doch für unsere finalen Assemblage gebraucht, die wir ohne dieses Fass zu stark geschwächt hätten.
Bei den anderen Fässern haben wir die „konventionelle“ Heiligenstein als Hefe, die inzwischen unsere Lieblingshefe geworden ist und die auch unter dem gestrengen Blick der reinen Lehre Gnade finden würde, sowie die Hefe AR2, eine der Lieblingshefen unseres leitenden Önologen Alf Ewald, verwendet. Für alle die, die es interessiert: Die Heilgenstein entwickelt eine Geschmackskomponenten als ob man einen heißen Ziegelstein bei 50 Grad Außentemperatur im Steilhang mit einem Krug Wasser übergießt. Eine ganz warme und harmonische, aber auch präzise, rotfarbene Mineralität. Die AR2 ist eine reduziert-aromatische Hefe, die neben der Frucht auch die Struktur der Weine betont. Die AR2-Gebinde sind in der finalen Assemblage speziell für die Komplexität wichtig.
Alles in allem sind wir mit den Ergebnissen unserer Experimente im Jahrgang 2018 sehr zufrieden, wenngleich es uns auch ein wenig traurig macht, da wir die Grenzen des sinnvoll Machbaren nun ausgelotet haben. Aber vielleicht fällt uns ja gemäß unseres Mottos „to boldy go, where no man has gone before“ noch etwas ein, was wir ausprobieren können.
Gestoppt haben wir unsere Gebinde zwischen Mai und Juli 2019. Die Gärzeit betrug damit zwischen sieben und neun Monaten.
Assemblage und Füllung
Die finale Assemblage unseres Orbels 2018 besteht aus 600 l Hösch Halbstück MT+ 2016 (unser Orbel-Halbstück, das wir in jedem Jahr mit Orbel befüllen), 500 l Quintessence Classic MT 2015 (unser Orbel-Tonneau, das wir anlässlich unseres Jungfernjahrgangs aus dem Orbel angeschafft haben) , 225 l Seguin Moreau 2012 (2 x vorbelegt mit Sauternes), 225 l Hösch 2016 (vorbelegt mit unserem Großen Känguru 2016), 2 x 225 l Hösch HT Wiener Eiche 2018 (Neu), 300 l Hösch Taunuseiche 2018 (Neu) und 450 l Stahltank. Wenn Sie jetzt hier, genauso wie beim Teufelskopf, anmerken, dass die Verwendung einer Stahltank-Komponente bei all dem Holz doch inkonsequent wäre, dann können wir Ihnen auch hier nicht widersprechen. Der profane Grund ist der gleiche: wir hatten aufgrund der Erntemenge in 2018 einfach kein zusätzliches Fass mehr frei.
Wir haben den Wein am 10.12.2019 abgefüllt und seitdem reift er in der Flasche. Mit dem Jahrgang 2018 habe wir unser Ziel erreicht, unsere Weine erst drei Jahre nach der Ernte auf den Markt zu bringen, also mit einem Jahr Fassreife und zwei weiteren Jahren Reife auf der Flasche. Speziell beim Jahrgang 2018 hat sich gezeigt, wie vorteilhaft dieses Vorgehen ist. Die Weine waren lange Zeit extrem verschlossen und beginnen sich erst seit einem halben Jahr ganz langsam zu öffnen.
Als Verschluss verwenden wir Naturkorken von Amorim, die mit der ND-Tech-Technologie, im Fertigungsprozess noch einmal mit einem Massenspektrometer auf TCA (Trichloranisol; also dem Stoff der den Korkschmecker verursacht) untersucht wird. Prinzipiell würden wir uns auch gerne dem Thema Schraubverschluss nähern, aber wir sind mit unserer Ausstattung mit Naturkork und Wachskapsel sehr zufrieden und irgendwie passt Grand Cru und der Ratsch beim Öffnen eines Schraubverschlusses nicht zusammen. Und glücklicherweise zeigen die ND-Tech-Korken auch einen großen Fortschritt in Sachen Korkquote.
Kapselfarbe
An der Farbe unserer Wachskapsel können Sie auch immer die jeweilige Einzellage erkennen. Unser Orbel trägt eine rote Wachskapsel in Pantone 185C, die wir intern als Cardinal Red bezeichnen. Allerdings sind wir mit dem Rot auf dem Orbel nicht mehr vollständig zufrieden, denn die Kapselfarbe soll auch den Charakter des Weines widerspiegeln und beim Orbel würden wir inzwischen eher ein saftiges, reifes Grün verwenden. Mal sehen, ob wir das Constitutional Green aus alten Zeiten wiederbeleben. Ein Tipp noch für die Eingeweihten: Sollten Sie diesen Wein irgendwo einmal finden, probieren Sie ihn. Very charaktervoll, aber um die Zahnhälse herum schäumt es ein wenig auf. Nur die Harten kommen in den Garten.
Produktionsmenge & Analysedaten
Abschließend noch die wichtigsten Daten:
Gesamtproduktion: 3.107 Flaschen
Alkohol: 13,2 %
Restzucker: 5,3 g/l
Säure: 6,2 g/l