Verkostungsnotiz
Sattes Stroh mit Grünreflexen. Komplexes, deutlich an Burgund erinnerndes Bukett mit Nussnoten, ein wenig Hösch-Toast, rauchigen Aromen und Salz. Irgendwie so, als wenn Coche-Dury Riesling machen würde. Am Gaumen salzig-kristallin, hochmineralisch und sehr kühl, fast frostig in der Anmutung. Mittlerer bis voller Körper, nicht viel Restzucker, gute Säure, leicht cremig und mit hoher Präzision. Für einen W. E. Frank – Wein eher leise, dafür aber sehr komplex und strukturiert. Unser Tribut an den Zeitgeist könnte man meinen – aber hier wollten wir einfach einmal zeigen, wie auf höchstem Niveau burgundisch Riesling sein kann, ohne die Rebsorte zu verleugnen. Kaum Frucht, am ehesten grünfarbige Steinobst-Sprenkel. Ein, sogar bis auf die Teilbewertungen, vergleichbares Niveau wie Ölberg und Teufelskopf, aber wieder völlig anders. Noch mehr Cool-Climate als der Ölberg und noch mehr Burgund. Ein dichterer 2016er. Braucht Zeit, könnte in fünf bis sieben Jahren dann aber völlig durch die Decke gehen. Mal sehen.
Robert Parker
92+ Points (The Wine Advocate End of January, 2020)
The citrus-colored 2017 Niersteiner Orbel Grosse Lage Riesling offers a ripe but elegant, fine and flinty bouquet of bright fruits. The palate is playful, lush and very delicate and finishes with stimulating salinity and mineral purity, whereas the fruit is round and charming, possibly thanks to some grams of residual sugar. Delicious, especially in five or so years. 2023 – 2040. 12.5% alcohol. 740 bottles produced. Tasted in November 2019.
Der Orbel
Der Orbel ist eine sehr alte Grand Cru Lage in der Gemeinde Nierstein im deutschen Anbaugebiet Rheinhessen, die bereits im Jahre 1386 erstmals in den Gemeindechroniken erwähnt wurde. Im Gegensatz zum Hipping und zum Pettenthal, die eine Ostexposition aufweisen, ist der 11,9 Hektar große Orbel eine reine Südlage. Die zwischen 90 bis 170 Meter Seehöhe liegenden Parzellen weisen bis zu 60 % Hangneigung auf. Während der Weinberg in den unteren Gewannen eher eine moderate Steigung zeigt, nimmt die Inklination mit zunehmender Höhe kontinuierlich zu und ist im oberen Teil durchaus mit den Steilhängen im Pettenthal und Hipping vergleichbar.
Der Orbel ist der westlichste und am weitesten vom Rhein entfernte Teil des so genannten Roten Hanges innerhalb der Rheinfront, in einem Flügelsbachtal genannten Seitental nördlich der Straße von Nierstein nach Schwabsburg gelegen. Auch im Orbel ist der rote Schieferboden allgegenwärtig, allerdings nicht als blanker Schieferfels, sondern vielmehr als feiner Schieferschluff. Im unteren Teil kommt noch ein wenig toniger, leicht steiniger Lehm dazu.
Die Kombination aus Rotschieferboden und seiner Lage in einem rheinabgewandtem Seitental, macht diesen Weinberg einzigartig. Die Südexposition des Weinberges führt durch die lange und direkte Sonneneinstrahlung zu hohen Tagestemperaturen, während das Seitental in der Nacht wie eine Düse fungiert, durch die der Rhein die kühle Luft aus dem Umland ansaugt. Ein erhöhter Luftaustausch und deutlich kühlere Nachttemperaturen sind die Folge. Diese Verbindung aus warmen Tages- und kühlen Nachttemperaturen führt zu einer optimalen Aromenausprägung bei gleichzeitiger Konservierung der Säurestruktur durch eine verminderte Veratmung der Säure in den Trauben. Im Vergleich mit anderen Lagen weist der Orbel deshalb bei gleicher Reife immer eine leicht höhere, pikante Säure und ein exotisches Aromenspektrum auf. Die Weine gelten deshalb als die „Rheingauer“ vom Roten Hang.
Der Name leitet sich vom heimischen Dialektwort „Orbel“ ab, womit eine kräftige und temperamentvolle Person bezeichnet wird. Der Zusammenhang ergibt sich im rassigen und ausdrucksstarken Charakter des Orbelweins. Inzwischen haben wir mehr Erfahrung über die Lagencharakteristik des Orbel sammeln können und halten unseren exotischen und fetten Jahrgang 2015 für atypisch – wenngleich faszinierend. Während das Pettenthal mit Weinbergspfirsich auf den Punkt gebracht werden kann, der Hipping mit Kurkuma und der Ölberg mit Eleganz, würden wir beim Orbel inzwischen kühl und burgundisch mit einem Hauch exotischer Frucht sagen. Während sich unser Bild der Lagencharakteristik bei allen anderen Lagen klar gefestigt hat, ist es beim Orbel noch etwas im Fluss. Auch wenn er zu Unrecht im Schatten der bekannteren Grand Cru Lagen im Roten Hang steht, darf er deshalb keinesfalls unterschätzt werden. Er ist das Paradebeispiel eines Cool-Climate-Weines und könnte im Zuge der fortschreitenden Klimaerwärmung durchaus einmal den Spitzenplatz in der Hierarchie am Roten Hang einnehmen.
Der Jahrgang 2017
Obwohl sich die Niederschlagsmenge im Jahr 2017 genau im langjährigen Mittel bewegte, begann der Winter sehr trocken. Bereits im Dezember 2016 fielen nur 20 % der normalen Niederschlagsmenge, im Januar und Februar 2017 weniger als die Hälfte und im April 2017 hat es gar nicht geregnet. Die Temperaturen dagegen meinten es gut und auf einen kühlen Januar, folgten ein sehr warmer Februar und ein noch wärmerer März, sodass der Austrieb am 09.04.2017 über ein Woche früher als im 15-Jahres-Schnitt (18. April) erfolgte. Mai und Juni waren ereignislos und obwohl die beiden Monate wärmer als gewöhnlich waren, konnte die Vegetation ihren Vorsprung nicht ganz halten. Beim Blühbeginn am 03.06.2017 betrug der Vorsprung zum 15-Jahresschnitt dann nur noch drei Tage. Dies ist wohl den weiterhin unterdurchschnittlichen Niederschlagsmengen geschuldet. Erst im regenreichen Juli und August konnte das Defizit wieder (etwas) aufgeholt werden.
Die Weinberge entwickelten sich problemlos und Mitte September waren die Mostgewichte schon bis auf an die 90 °Oe gestiegen. Obwohl manche Kollegen zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Ernte begannen, waren wir mit der physiologischen Reife noch nicht vollständig zufrieden und wollten noch etwas zuwarten. Leider trat dann ein Phänomen auf, das wir so auch noch nicht erlebt hatten. Es herrschte schönes Spätsommerwetter mit warmen, sonnigen Tagen und kühle Nächten – eigentlich ein ideales Wetter zum Ausreifen der Trauben – und trotzdem begann alles zu faulen. Vielleicht lag es an dem mit 40 mm doch großen Regenschauer am 13./14. September, aber genau wissen wir es nicht. Wir waren auf jeden Fall extrem konsterniert und standen vor einem großen Problem. Wir hatten kurz überlegt, sofort mit der Ernte zu beginnen, aber dies hätte zu Sicherheitsweinen mit maximal (sehr) guter Qualität geführt – was für uns als neues Weingut im Ultrapremiumbereich einfach zu wenig gewesen wäre. Insofern haben wir uns entschieden, egal wie herb die Ertragseinbußen auch immer werden würden – und sie waren dann wirklich verdammt schmerzhaft – auf maximale Qualität zu gehen und warteten mit unserer Ernte noch zu.
Trotz eines weiterhin trockenen Wetters trat in der Folge keine Besserung ein und wir mussten dann zwischen 02. und 14.10.2017 bei trübem und feuchtem, aber nicht besonders nassen Wetter in noch trüberer Stimmung ernten. Wir haben unsere Weinberge im roten Hang als letzte gelesen – unseren Hipping zum Beispiel fünf Wochen später als die Ersten – und die Geschichten über unsere faulen Weinberge sind legendär. Aber alle die, die zu dieser Zeit nur noch den Kopf geschüttelt haben – und es waren nicht wenige – tun dies, nachdem sie unsere Weine probiert haben, nun nicht mehr.
Für Kabinette und edelsüße Weine war 2017 sicher ein genialer Jahrgang – was Mosel und Saar eindrucksvoll zeigen – aber sonst ist der Jahrgang durchwachsen. Alle die, die früh geerntet haben, konnten klare, durchaus fruchtbetonte Weine einbringen, die es jedoch ein wenig an Körper und physiologischer Reife missen lassen. Dafür war die Erntemenge gut. Bei uns hat sich unser Hochrisikoansatz ausgezahlt und wir haben Konzentration, Struktur und Komplexität, aber nur 30 % des normalen Ertrags. Allerdings sind wir inzwischen ob der enormen Qualität unserer Weine – trotz der kaum vorhandenen Menge – mit dem Jahrgang 2017 sehr zufrieden. Man kann einfach nicht immer alles haben.