Verkostung
Golbgelb, mit einer Konsistenz wie Schwermaschinenöl. Zieht Kirchenfenster ohne Ende. Was für ein Blubb im Glas. Am Gaumen mit der Intensität einer Beerenauslese, allerdings ohne deren Süße. Eine Essenz aus Kamille und Weinbergspfirsich, mit der Unterlage von Fruchtpralinee. Unendlich kraftvoll, ölig-cremige Noten, Harz, etwas Honig und Lanolin. Erinnert an die dicksten Coulee de Serrants, die ich kenne. Raucht und qualmt wirklich ohne Gnade aus dem Glas und ich frage mich, ob der Wein nicht over-the-top ist. Er hat sehr viel von allem, vielleicht aber auch ein wenig zu viel. Bei aller Macht verfügt er jedoch auch viel Struktur und Komplexität. Am Gaumen erübrigen sich dann alle solchen Überlegungen, denn der Wein ist nicht nur nahe an der Perfektion, sondern perfekt. Ölig, hochviskos, ultimativ cremig und fett. Wirkt in Verbindung mit dem moderaten Restzucker durch all sein Glycerin und seinem Extrakt vielleicht noch ein wenig süß. Weinbergpfirsich, Gewürze, kurkumabasierte Spice-Box, die ein wenig in Richtung Hipping changiert. Oh Mann, oh Mann. Voller Körper, tolle Säure, ein ganz klein wenig süßer Alkohol, etwas Holz, Salz, cremig-sahnige Weinbergspfirsichfrucht mit einer Unterlage aus weißem Nougat, hohe Komplexität und unendliche Länge. Ich wüsste nicht, wie ich einen Wein noch konzentrierter gestalten sollte, ohne in den völligen Unsinn abzugleiten. Schon das Lesegut war in Geschmack und Analyse perfekt und der Wein ist es auch. Mehr gibt es schlicht und ergreifend nicht zu sagen.
Eine kleine Warnung: Zurzeit schläft das Pettenthal 2017 tief und fest und braucht noch viel Zeit um sich wieder vollständig zu öffnen.
Robert Parker
92 Points (The Wine Advocate End of January, 2020)
The 2017 Niersteiner Pettenthal Grosse Lage Riesling is pure yet intense and generously ripe on the spicy and stony-mineral, remarkably focused nose. Round and juicy on the palate, this is an elegant Pettenthal with rich and juicy yet also pithy and highly concentrated Malaga raisin fruit. A long-distance runner with refined acidity and 14% alcohol. 2020 – 2035. 1,750 bottles produced. Tasted in November 2019.
Das Pettenthal
Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass das Pettenthal die wohl berühmteste und begehrteste Weinlage im deutschen Anbaugebiet Rheinhessen ist. In der Gemarkung Nierstein gelegen, ist sie im Kernbereich des sogenannten Roten Hangs eingebettet, der wiederum ein Teil der sogenannten Rheinfront darstellt. Im Norden schließt das Pettenthal an den Nackenheimer Rothenberg an und im Süden an den Hipping. Im Gegensatz zu Ölberg und Orbel mit ihrer reinen Südexposition, ist das Pettenthal – genauso wie der Hipping – nach Osten bis Südosten ausgerichtet. Nur im Süden der Lage neigt sich der Rote Hang in ein kleines Seitental nach Westen. Das Pettenthal wird hier vom Brudersberg unterbrochen und setzt sich dann nach Westen hin mit ausschließlich nach Süden geneigten Gewannen fort. Im Gesamten umfasst die Einzellage 31 Hektar Rebfläche.
Die zwischen 50 bis 170 Meter Seehöhe liegenden Weinberge weisen eine Hangneigung bis zu
70 % auf. Das Pettenthal gehört somit – neben den benachbarten Hipping und Ölberg – zu den steilsten Lagen Rheinhessens.
Als Katastername wurde das Pettenthal bereits im Jahre 1753 erstmalig erwähnt. Er geht nach der häufigsten Version auf „Pater’s Tal“ (Tal der Mönche) zurück, da sich die Lage lange Zeit in kirchlichem Besitz befand. Außerdem werden als Ursprung der Vorname „Peter“ sowie die hier früher häufig an den oben am Hang gelegenen Quellen und Sumpflöchern vorkommenden Kröten genannt (Petten ist eine lokale Bezeichnung für Kröten).
Die Böden bestehen aus feinkörnigem rotem Tonschiefer, dem sogenannten Rotliegenden, das sich über die Zeit aus kalkreichen, vor über 250 Millionen Jahren entstandenen Ton-, Schluff- und Sandsteinen entwickelt hat. Dieser recht gut durchlüftete Boden ist zwar kein guter Wasserspeicher, dafür aber reich an Nährstoffen, speziell Eisenmineralen. Die Eisenbestandteile sind für die rote Färbung des Bodens verantwortlich, die wiederum Namensgeber für den Begriff Roter Hang ist. In den flachen Teilen unten am Rhein besteht der Boden auch aus Schwemmland und tonigem Lehm, wobei das letzte (flache) Gewann vor dem Rhein nur namensrechtlich, aber nicht qualitativ, zum Pettenthal gehört.
Keine andere Lage bietet derartig vielfältige und extreme Voraussetzungen zum Weinbau wie das Pettenthal: Steilhänge mit wasserführenden Schichten, zerklüftete Hitzekammern, nackter Rotschieferfels und direkte Besonnung bis weit in die Abendstunden hinein. Diese Extrembedingungen sind die Voraussetzungen für extreme Weine. Durch die hohe Reife der Trauben, den Einfluss des Rheins und die direkte Wirkung des Roten Schiefers auf die Reben, die nicht – wie in anderen Lagen – durch eine Humusunterlage gedämpft wird, entstanden hier schon immer mächtige Weine. Früher trat bei den besten Weinen die Frucht zugunsten von Tabak- und Kräuternoten in den Hintergrund, sodass die Pettenthaler auch gerne als die Burgunder unter den Rieslingen bezeichnet wurden. Heutzutage – im Zeichen des Klimawandels – glauben wir, dass wir das Pettenthal mit einem Wort charakterisieren können: Intensiver Weinbergspfirsich und zwar bis hin zu einer fast schon „kitschigen“ Form.
Der Jahrgang 2017
Obwohl sich die Niederschlagsmenge im Jahr 2017 genau im langjährigen Mittel bewegte, begann der Winter sehr trocken. Bereits im Dezember 2016 fielen nur 20 % der normalen Niederschlagsmenge, im Januar und Februar 2017 weniger als die Hälfte und im April 2017 hat es gar nicht geregnet. Die Temperaturen dagegen meinten es gut und auf einen kühlen Januar, folgten ein sehr warmer Februar und ein noch wärmerer März, sodass der Austrieb am 09.04.2017 über ein Woche früher als im 15-Jahres-Schnitt (18. April) erfolgte. Mai und Juni waren ereignislos und obwohl die beiden Monate wärmer als gewöhnlich waren, konnte die Vegetation ihren Vorsprung nicht ganz halten. Beim Blühbeginn am 03.06.2017 betrug der Vorsprung zum 15-Jahresschnitt dann nur noch drei Tage. Dies ist wohl den weiterhin unterdurchschnittlichen Niederschlagsmengen geschuldet. Erst im regenreichen Juli und August konnte das Defizit wieder (etwas) aufgeholt werden.
Die Weinberge entwickelten sich problemlos und Mitte September waren die Mostgewichte schon bis auf an die 90 °Oe gestiegen. Obwohl manche Kollegen zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Ernte begannen, waren wir mit der physiologischen Reife noch nicht vollständig zufrieden und wollten noch etwas zuwarten. Leider trat dann ein Phänomen auf, das wir so auch noch nicht erlebt hatten. Es herrschte schönes Spätsommerwetter mit warmen, sonnigen Tagen und kühle Nächten – eigentlich ein ideales Wetter zum Ausreifen der Trauben – und trotzdem begann alles zu faulen. Vielleicht lag es an dem mit 40 mm doch großen Regenschauer am 13./14. September, aber genau wissen wir es nicht. Wir waren auf jeden Fall extrem konsterniert und standen vor einem großen Problem. Wir hatten kurz überlegt, sofort mit der Ernte zu beginnen, aber dies hätte zu Sicherheitsweinen mit maximal (sehr) guter Qualität geführt – was für uns als neues Weingut im Ultrapremiumbereich einfach zu wenig gewesen wäre. Insofern haben wir uns entschieden, egal wie herb die Ertragseinbußen auch immer werden würden – und sie waren dann wirklich verdammt schmerzhaft – auf maximale Qualität zu gehen und warteten mit unserer Ernte noch zu.
Trotz eines weiterhin trockenen Wetters trat in der Folge keine Besserung ein und wir mussten dann zwischen 02. und 14.10.2017 bei trübem und feuchtem, aber nicht besonders nassen Wetter in noch trüberer Stimmung ernten. Wir haben unsere Weinberge im roten Hang als letzte gelesen – unseren Hipping zum Beispiel fünf Wochen später als die Ersten – und die Geschichten über unsere faulen Weinberge sind legendär. Aber alle die, die zu dieser Zeit nur noch den Kopf geschüttelt haben – und es waren nicht wenige – tun dies, nachdem sie unsere Weine probiert haben, nun nicht mehr.
Für Kabinette und edelsüße Weine war 2017 sicher ein genialer Jahrgang – was Mosel und Saar eindrucksvoll zeigen – aber sonst ist der Jahrgang durchwachsen. Alle die, die früh geerntet haben, konnten klare, durchaus fruchtbetonte Weine einbringen, die es jedoch ein wenig an Körper und physiologischer Reife missen lassen. Dafür war die Erntemenge gut. Bei uns hat sich unser Hochrisikoansatz ausgezahlt und wir haben Konzentration, Struktur und Komplexität, aber nur 30 % des normalen Ertrags. Allerdings sind wir inzwischen ob der enormen Qualität unserer Weine – trotz der kaum vorhandenen Menge – mit dem Jahrgang 2017 sehr zufrieden. Man kann einfach nicht immer alles haben.