Unser Jahrgang 2020: Ein Lagebericht kurz vor der Füllung
In diesem Jahr sind wir leider mit unserer Füllung sehr spät dran. Unser Firmen-SUV ist leider wegen des Lieferrückstandes eines kleinen Ersatzsteiles für mehrere Wochen in der Werkstatt gestanden, sodass wir unseren Jahrgang 2020 bisher nicht zur Füllung transportieren konnten und unsere ganze Weinlogistik beeinträchtigt wurde. Das ist unerfreulich, aber nicht zu ändern.
Umso erfreulicher ist dafür der Inhalt unserer Fässer. Da nun in der nächsten Woche die Füllung des Jahrgangs 2020 ansteht, habe ich mir einmal die Arbeit gemacht, um in-vitro-Proben des Jahrgangs zusammenzustellen.
Diese Proben dienen natürlich in erster Linie der Festlegung der endgültigen Assemblage, können aber auch gut dazu verwendet werden, eine erste Verkostungsnotiz über das jeweilige Ergebnis zu schreiben. Natürlich ist so eine in-vitro-Assemblage immer etwas ungenau, noch nicht endgültig im Schwefel eingestellt und auch noch nicht gefiltert, aber ein erster Eindruckt lässt sich trotzdem schon gut gewinnen. Durch die Filterung werden die Weine dann noch an Brillanz gewinnen und noch besser werden als das, was hier heute im Glas haben. Dann „Film ab“:
Ludwigshöher Teufelskopf Erste Lage Riesling 2020
Helles Gold mit Grünreflexen. Wieder einmal typisch Teufelskopf im Bukett, diesmal aber durch den höheren Restzucker noch etwas süßer. Weich, extrem harmonisch und mit sanftem, kaum merklichem Holz und Hösch-Toast unterlegt. Die Frucht steht gar nicht so im Vordergrund, da alles von Schmelz und Cremigkeit überlagert ist. Vielleicht etwas Pfirsich, Papaya, Erdbeeren und Buttercremetorte. Eine unglaubliche Umami-Bombe, über der eine helle, leicht ätherische, aber sonst kaum auflösbare Kopfnote schwebt. Am Gaumen etwas süßer als die bisherigen Jahrgänge, aber zwei der drei Fässer wollten nicht weiter durchgären und da muss man den Wein einfach machen lassen, was er möchte. Allerdings steht eine schöne Säure gegen den sanften Restzucker und mit etwas Reife wird der Wein dann definitiv ein „sensorisch trocken“ erreichen. Auch viel, leicht pikante Fruchtsüße, die in Richtung des Pfirsich-Papaya-Erdbeer-Komplexes des Buketts geht, aber noch nicht final auflösbar ist. Mit Luft gesellt sich auch etwas Himbeere dazu und die Frucht geht dann in Richtung eines jungen Pinot-Noirs.
Ich glaube, wenn der Wein dereinst so richtig aufmacht, wird ein enormer Fruchtcocktail daraus. Voller Körper, zartes Bitterschokoladentannin, viel Schmelz, aber dabei noch eine ausgezeichnete Struktur. Die dazugehörige Komplexität wird sich mit Reife entwickeln. Hier zeigt sich wieder einmal, dass man manche Weine einfach gehen lassen muss und wenn der Teufelskopf 2020 mehr Restsüße haben will, soll er sie bekommen.
Orbel Grosse Lage Riesling 2020
Helles Gold mit Grünreflexen. Auch der Orbel 2020 ist sehr typisch in seiner grün-reifen, leicht ankandierten, an Kiwi erinnernden Frucht, seinen (dezenten) Kräuternoten, etwas Kamille und den kristallin-salzigen Komponenten. Umschlossen wird das Ganze von dezentem, cremigem, hellem Holz, das aus Ovomaltine, Sahne und weißem Nougat besteht. Das ist burgundisch im allerbesten Sinne, ohne den Riesling zu verleugnen. Steht mit 2018 stilistisch und qualitativ auf einer Ebene, nur der 2018er Orbel hatte (etwas) mehr Holz. Helle, leicht ätherische Kopfnote. Das hat schon eine enorme Komplexität und Struktur und spricht einen trotzdem total an. Montrachet-Killer! Am Gaumen vielleicht etwas trockener als gewohnt, aber in außerordentlicher Balance. Voller Körper, gute, harmonische Säure, edles Tannin, Salzflash, enorm mineralischer Kern und dezente, cremig-sahnige Holznoten, die im Abgang deutlicher hervortreten. Man hat kein großes Fruchtempfinden, nur die reifen, grünen, etwas an Kiwi erinnernden Komponenten, die sich mit Kräuternoten und Kamille verbinden. Inzwischen ist das Jahr für Jahr reproduzierbar und ich denke, dass das jetzt wirklich Orbel ist. Und Orbel ist großartig. Cool-Climate at ist best.
Ölberg Grosse Lage Riesling 2020
Helles Gold mit Grünreflexen. Der Ölberg scheint in 2020 besonders elegant zu sein. Ganz leicht parfümiertes Bukett, in dem ganz dezente, warme florale Noten über einem eiskalten, tiefgefroren-kristallin-mineralischen Untergrund schweben. Dezenter Ovomaltine-Toast, etwas sanft meerrettichartiger Alkohol und Salz, viel Salz. Schlank, aber sehr tief. Wie ein mächtiger, aber filigran wirkender Brückenpfeiler, der tief in der Erde verankert ist. Man kann die violetten Tupfer, die der Ölberg normalerweise hat, schon erahnen, aber sie müssen sich noch entwickeln, um satt zu stehen. Kaum Süßeempfinden, obwohl der Wein angenehm cremig ist und eigentlich kaum oder keine Fruchtnoten. Hochkomplex. In diesem Jahr noch femininer als sonst. Audrey Hepburn in Givenchy eben. In diesem Jahr auf 2 g/l Restzucker durchgegoren, aber dennoch am Gaumen erstaunlich süß wirkend. Der süße Extrakt macht den Wein trotz des kaum vorhandenen Restzuckers unglaublich rund, schmelzig und elegant. Ich denke immer, man müsste dem Wein noch ein oder zwei Gramm Restsüße mitgeben, aber wie beim Teufelskopf in der anderen Richtung muss man den Wein das machen lassen, was er will.
Also bleibt er so, wie er ist. Mittlerer bis voller Körper, gute harmonische Säure, verdecktes, aber durchaus vorhandenes Tannin und ein wenig grüne Frucht. Wirkt noch deutlich weniger violett als gewohnt und erinnert heute etwas an Orbel. Die leicht floralen Komponenten, die sich schon im Bukett angedeutet haben, hat der der Wein auch am Gaumen. Dazu gesellen sich Salz, kristalline Noten und viel Tiefe. Hat weniger Holz als der Orbel, was aber von vornherein klar war, da wir in 2020 nur unser 2016er Halbstück hatten und das hat nun auch schon einige Jahre auf dem Buckel. Im Abgang steht deswegen das Salzig-Kristalline in Verbindung mit etwas Parfüm im Vordergrund und das Holz bleibt beim Ölberg im Vergleich zum Orbel eher im Untergrund verborgen. Möge jeder selbst entscheiden, was er lieber mag.
Hipping Grosse Lage Riesling 2020
Helles Gold. Uhiii bläst da die gelber Gewürzlade des Hippings ungebremst aus dem Glas, aber leider ist auch ein wenig Alkohol mit drin. Auch ist das Bukett heute etwas verhangen und ich habe das Gefühl, dass sich das eher karge und unspektakuläre, jedoch auch sehr unterentwickelte Halbstückfass HS-6 und das opulente, holzbetonte Barrique B-13 im Widerstreit befinden, aber das wird sich geben. Dafür hat der Wein eine atemberaubende, aus dem Glas hüpfende Mineralität und supertiefe Struktur.
Im Unterschied zu Teufelskopf, Orbel und Ölberg wird der Hipping länger auf der Flasche brauchen, aber bis er im Dezember 2023 auf den Markt kommt, sollte er gut stehen. Weiterhin Amalfi-Zitrone und Steinobst. Irgendwie hat sich das durchaus vorhandene Holz komplett verflüchtigt. Erstaunlich. Am Gaumen schlägt dann die Stunde der Opulenz. Voller Körper, hochcremige Textur, zarte Restsüße, die in perfekter Korrespondenz zur guten, unterstützenden Säure steht, angenehmes Tannin, Schmelz ohne Ende, gelbe Gewürze, süßes Holz, eingelegter Pfirsich und Weinbergspfirsich. Schlägt hier einen Bogen zum Pettenthal.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut und dienend sich das Holz im Hipping unterordnet. Hat eine enorme, überbordende Frucht, aber wenn die im Abgang zurückgeht, schmeckt man erst, welche enorme Mineralität vorhanden ist. Wahrscheinlich ist der Wein auch heftig salzig, aber das bügelt die Opulenz zurzeit gnadenlos nieder. Hier sind wir im Vergleich zu 2018 wieder mehr auf die opulente Seite des Hipping gewandert – was wohl mehr mein Ding ist – aber besser als 2018 ist dieser Hipping auch nicht. Die beiden Jahrgänge kämpfen einfach auf einem Niveau, das schon verdammt nah an der Perfektion dran ist. Der Hipping ist als Lage eben einzigartig.
Pettenthal Grosse Lage Riesling 2020
Helles Gold. Das riecht schon ölig. Zu Beginn mit seinen Nussnoten fast manzanillaartig. Eine Spur Lebkuchen, etwas Apfel(kompott), dezent florale Komponenten in Verbindung mit der Härte eines Vin du Grade, die von den 2012 Seguin Moreau Barriques kommt, kaum Frucht und eine hohe Mineralität. Heute vielleicht etwas zu apfelig und abweisend, aber bei dieser Monstersubstanz wird sich das definitiv einbinden. Man hat zwar etwas Weinbergspfirsich im Untergrund, aber die Frucht ist noch dermaßen embryonal, dass sie noch länger brauchen wird, um hervorzutreten. Kaum oder kein Holz spürbar. Könnte für mich zwar mehr Holz vertragen, aber in dieser noch rohen, ungeschliffenen, aber unglaublichen inneren Dichte möglicherweise stilbildend.
In diesem Jahr auf jeden Fall ein Anti-Hipping. Am Gaumen dann mit etwas mehr Restsüße und Toast als die Nase andeutet. Das Apfelige tritt zurück und macht einer gewissen, angedeuteten Opulenz und auch etwas Schmelz Platz. Hier sind die pettenthal-typischen Pfirsichnoten präsenter, aber in eine manzanillaartige Nussigkeit eingewickelt. Im Prinzip schon typisch Pettenthal, aber eben nur noch nicht klar erkennbar. Voller Körper, gute Säure, sehr schöne Restsüße-Säure-Balance. Die Öligkeit, die im Untergrund schlummert, ist beeindruckend. Noch fasziniert der Wein nicht, aber er hat absolut alles, was er braucht, um dereinst durch die Decke zu gehen. Ich war beim 2018er Pettenthal auch lange Zeit nicht so begeistert und muss bitter Abbitte leisten – der 2018er ist jetzt sowas von begeisternd. Aber sei es, wie es sein, auf jeden Fall ist das Pettenthal, wie in 2018, momentan der mit Abstand unterentwickeltste Wein der fünf Einzellagen.